Das hat mich inspiriert, ein uraltes Sommermärchen mal etwas umzugestalten:
Frei nach „Des Kaisers neue Kleider“, ein Märchen von Hans-Christian Andersen (1805-1875)
Des Flughafens neue Gesellschaft
Vor vielen Jahren dümpelte ein Airport, der so ungeheuer viel auf viele neue Fluggesellschaften legte, so vor sich hin. All sein Geld gab er dafür aus, um blitzblanke Flugzeuge unterschiedlichster Coleur präsentieren zu können. Er kümmerte sich nicht um seine Kunden, um sie vor finanziellen Einbußen zu schützen, kümmerte sich nicht um das Theater, das um ihn herum geschah und liebte es nicht, Verantwortung zu übernehmen. Er wollte nur seine neuen Flugzeuge zeigen. Er plante für jede Stunde des Tages eine Airline, und eben so, wie man von einem Flughafen sagt, er gehöre zu den Priviligierten, sagte man hier immer: "Der Flughafen muß im Land in der ersten Liga mitfliegen.“
In der großen Stadt, in welcher er am Rande zuhause war, ging es sehr munter zu; an jedem Tage kamen viele Fremde da an. Eines Tages kamen auch Gaukler in den Ort; sie gaben sich als Airline aus und sagten, daß sie die schönsten Maschinen, die man sich denken könne, zu stationieren verstände. Die Farben und die Flugzeugmuster wären nicht allein ungewöhnlich schön, sondern die Maschinen, die von der Airline eingesetzt würden, besäßen die wunderbare Eigenschaft, daß sie für jeden Menschen unsichtbar wären, der nicht für seine Aufgabe tauge oder der unverzeihlich dumm sei.
"Das wären ja prächtige Maschinen!" dachte der Flughafen; "wenn wir die hier an Land ziehen, könnte man ja dahinter kommen, welche Personen in unserem Orte zu der Aufgabe, die sie haben, nicht taugen; man könnte die Klugen von den Dummen unterscheiden! Ja, die Maschinen müssen gleich per Vertrag dem Flughafen gesichert werden!" Und er gab den beiden Redegewandten viel Handgeld, damit sie ihre Arbeit beginnen möchten.
Sie eröffneten auch gleich ein Büro mit mehreren Computern im Flughafen und thaten, als ob sie arbeiteten; aber sie hatten zu diesem Zeitpunkt nicht das geringste Flugangebot in Aussicht. Frischweg verlangten sie die Infrastruktur des Airports und die Nutzung aller vorhandenen Einrichtungen. Das prächtigste Gold, was man heutzutage Euro nennt, steckten sie erst mal in ihre eigene Tasche und arbeiteten an den speziellen Computerprogrammen bis spät in die Nacht hinein.
"Ich möchte doch wohl wissen, wie weit sie mit dem Flugplan sind!" dachte der Flughafen. Aber es war ihm ordentlich beklommen zu Muthe, wenn er daran dachte, daß Derjenige, welcher dumm sei oder schlecht zu seinen Aufgaben tauge, es nicht sehen könne. Nun glaubte er zwar, daß er für sich selbst nichts zu fürchten brauche, aber er wollte doch erst einen Andern senden, um zu sehen, wie es damit stände. Alle Menschen in der ganzen Stadt wußten, welche besondere Kraft solche Flugzeuge haben, und Alle waren begierig, zu sehen, wie schlecht oder dumm ihr Nachbar sei.
"Ich will meinen alten, ehrlichen Reiseveranstalter zu unseren Wohltätern senden!" dachte der Flughafen. "Er kann am Besten beurtheilen, wie das Projekt sich ausnimmt, denn er hat Verstand, und keiner versieht seine Aufgaben besser, als er!" Nun ging der alte, gute Touristiker in das Büro der virtuellen Airline hinein, wo die zwei Gaukler saßen und an den Computern mit der Reservierungssoftware arbeiteten, "Gott behüte uns!" dachte der alte Urlaubsprofi und riß die Augen auf; "ich kann ja weit und breit nichts erblicken, erst recht keine Flugzeuge!" Aber dieses sagte er nicht.
Beide Gaukler baten ihn, gefälligst näher zu treten, und fragten, ob es nicht ein hübsches Muster und schöne Farben seien. Dann zeigten sie auf das leere Rollfeld und der arme, alte Reiseveranstalter fuhr fort, die Augen aufzureißen: aber konnte nichts sehen, denn es war nichts da.
"Herr Gott!" dachte er, "sollte ich dumm sein? Das habe ich nie geglaubt, und dieses darf kein Mensch wissen! Sollte ich nicht zu meinen Aufgaben taugen? Nein, es geht nicht an, daß ich erzähle, ich könne die Maschinen nicht sehen!" "Nun, Sie sagen nichts dazu?" fragte der Eine, der da in den Computer hackte. "O, es ist genau das, was wir hier am Airport brauchen, nachdem andere Airlines sich andere Airports ausgewählt hatten und nicht wiedergekommen sind." antwortete der alte Fachmann und sah durch seine Brille. "Dieses Flugzeugmuster und diese Farben! Eine Boeing 737-400, Ja, ich werde es dem Flughafen sagen, daß sie mir sehr gefällt."
"Nun, das freut uns!" sagten die Gaukler, und darauf nannten sie die Farbe mit weiß und erklärten das seltsame Flugzeugmuster. Der alte Touristprofi paßte gut auf, damit er dasselbe sagen könnte, wenn er zum Flughafen zurückkäme, und das that er.
Nun verlangten die Illusionisten mehr Geld für ihre Flugzeuge, erst recht von den zahlenden Kunden, um ihre virtuellen Geschäfte fortzuführen. Sie steckten zunächst Alles in ihre eigenen Taschen, auf das Rollfeld kam nie auch nur eine startbereite Boeing für den Flug in den Urlaub, aber sie fuhren fort, wie bisher, an den leeren Computer-Geldmaschinen zu arbeiten.
Der Flughafen sandte bald wieder einen andern ehrlichen Mitarbeiter aus dem regionalen Reisebüro hin, um zu sehen, wie es mit dem Angebot stände und ob das Flugzeug bald startklar sei; es ging ihm gerade, wie dem Ersten; er sah und sah, weil aber außer dem leeren Rollfeld nichts da war, so konnte er nichts sehen.
"Ist das nicht ein hübsches Flugzeug?" fragten die beiden Gaukler und zeigten und erklärten das prächtige Typenmuster, welches gar nicht da war.
"Dumm bin ich nicht!" dachte der Mann; "es ist also meine gute Aufgabe, zu der ich nicht tauge? Das wäre komisch genug, aber das muß man sich nicht merken lassen!" und so lobte er das Flugzeug, welches er nicht sah, und versicherte ihnen seine Freude über die schöne Farbe und das herrliche Flugzeugmuster. "Ja es ist ganz außergewöhnlich!" sagte er zum Flughafen.
Alle Menschen in der Stadt sprachen von der prächtigen Maschine. Nun wollte der Flughafen es selbst sehen, während es noch auf dem Rollfeld sei. Mit einer ganzen Schaar auserwählter Mitarbeiter, aus Politik, Touristik und Wirtschaft, unter denen auch die beiden ehrlichen Tester waren, die schon früher dort gewesen, ging er zu den beiden listigen Gauklern hin, die nun aus allen Kräften ihre schönen Maschinen, derer es schon 3 geworden waren, auf dem leeren Rollfeld präsentierten.
"Ist das nicht prächtig?" sagten die beiden alten und verdienten Touristikfachleute, die schon einmal da gewesen waren. "Seht, welches Muster, welche Farbe!" Und dann zeigten sie auf das weiterhin leere Rollfeld, denn sie glaubten, daß die Andern die Maschinen wohl sehen könnten.
"Was!" dachte der Flughafen, "ich sehe gar nichts! Das ist ja schrecklich! Bin ich dumm? Tauge ich nicht dazu, Flughafen zu sein?
Das wäre das Schrecklichste, was einem Flughafen begegnen könnte!" - "O, sie sind sehr hübsch!" sagte der Flughafen. "Es hat meinen allerhöchsten Beifall!" Und er nickte zufrieden und betrachtete das leere Vorfeld, denn er wollte nicht sagen, daß er nichts sehen könne. Das ganze Gefolge, welches er bei sich hatte, sah und sah und bekam nicht mehr heraus, als die Andern; aber sie sagten, wie der Flughafen: "O, die sind hübsch!" Und sie riethen ihm, diese neuen, prächtigen Maschinen das erste Mal bei der großen Saisoneröffnung, die bevorstand, der Öffentlichkeit zu zeigen. "Es ist herrlich, innovativ, excellent!" ging es von Mund zu Mund; man schien allerseits innig erfreut darüber, und der Flughafen verlieh den Gauklern den Titel "Goldener Luftikus des Jahres"
Die ganze Nacht vor dem Morgen, an dem die Saisonpremiere stattfinden sollte, waren die Gaukler auf und hatten ihr Büro voll erleuchtet. Die Leute konnten sehen, daß sie stark beschäftigt waren, des Flughafens neue Maschinen zu immer neuen Flugzielen anzukündigen. Sie thaten, als ob die Telefone heiß liefen, sie bestellten die Flughafenfeuerwehr für den Erstflug,
um Wasserfontänen in die Luft zu schicken und sagten zuletzt:
"Nun sind wir startklar!"
Der Flughafen mit seinen vornehmsten Cavalieren kam selbst dahin, und beide Gaukler hoben einen Arm in die Höhe, und riefen:
"Seht, das sind sie, die neuen Maschinen! Hier ist die weiße! Hier die Umlackierte!" und so weiter.
"Man sollte glauben, nichts wäre leichter, als eine neue Fluggesellschaft an Land zu ziehen; aber das ist schon eine schwere Aufgabe!"
"Ja!" sagten alle Anwesenden; aber sie konnten nichts sehen, denn es war nichts da.
"Ei, wie gut sie aussehen! Wie herrlich sie unserem Flughafen stehen!" sagten Alle. "Welches Fabrikat, welche Farben! Unglaublich!"
"Draußen stehen sie von der Presse, um über die Saisonpremiere in würdiger Form zu berichten, " meldete der Assistent der Geschäftsleitung. "Seht, ich bin ja fertig!" sagte der Flughafen. "Eine neue Ära beginnt" Und dann wendete er sich nochmals zum Vorfeld, denn es sollte scheinen, als ob er seinen Flugzeugflotte recht betrachte.
Die Mitarbeiter, welche der Zeremonie den richtigen Rahmen geben sollten, ergriffen ihre mitgebrachten Werbe-Flughafen-Fähnchen und wedelten in die Richtung der nicht vorhandenen Maschinen; sie wagten nicht, es sich merken zu lassen, daß sie nichts sehen konnten.
So ging die Flughafen Procession auf das prächtige Rollfeld, und alle Ehrengäste am Airport sprachen: "Gott, wie sind des Flughafens neue Maschinen dieser neuen Fluggesellschaft unvergleichlich; wie sie blitzblank dort in der Sonne düsenmässig strahlen, wie schön das ist!" Keiner wollte es sich merken lassen, daß er nichts sah, denn dann hätte er ja nicht zu seinen Aufgaben getaugt oder wäre sehr dumm gewesen. Keine Maschinen irgendeiner Fluggesellschaft hatten solches Glück gemacht, wie diese.
"Aber da steht ja gar kein Flugzeug!" sagte endlich ein kleines Kind. 'Herr Gott, hört des Unschuldigen Stimme!" sagte der Vater; und der Eine zischelte dem Andern zu, was das Kind gesagt hatte. "Das Vorfeld ist ja leer!" rief zuletzt das ganze Volk. Das ergriff den Flughafen, denn es schien ihm, sie hätten Recht; aber er dachte bei sich: "Nun muß ich die Saisonpremiere aushalten." Und sie gingen noch straffer und wohlwissend, dass es auch Fluggesellschaften gibt, die real sind. Aber nicht das Blaue vom Himmel versprechen.
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Ein Märchen, eine Satire frei nach Hans Christian Andersen (1805-1875)
Jede Ähnlichkeit mit Personen, Firmen, Politikern, öffentlichen Einrichtungen
wird ausdrücklich ausgeschlossen und wäre reiner Zufall.
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Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von »cuate« (14. Juli 2016, 15:11)