Mag alles sein... ich habe vor zig Jahren etwas anderes gelernt:
Reisen ist für die meisten eine Ausnahmesituation. Sowas gehört für die meisten nicht zum Alltag, sondern kommt vielleicht 1-2x im Jahr vor, durchaus auch seltener.
Viele ungewohnte Faktoren, die durchaus auch Stressfaktoren sein können, treffen zusammen. Es geht los beim Kofferpacken: Was muss mit, was darf mit, kommt man mit dem Freigepäck hin, wer nimmt was mit in den Koffer, Reiseapotheke, ggf. Impfungen, etc.. Dann die Fahrt zum Flughafen, ggf. nach sehr kurzer Nachtruhe. Vielleicht verbunden mit Stau oder Zugverspätung oder einem unzuverlässigem/ unpünktlichem Abholer, in jedem Fall aber mit etwas Gepäckschlepperei. Auf dem Weg zum Flughafen dann nochmal kurzer gedanklicher Check Up: Alles dabei? Alle Lichter daheim ausgemacht? Alle Fenster zu? Haustür abgeschlossen? Nachbarn Bescheid gesagt wg. evtl. Blumengießen/ Postkasten leeren? Heizung ausgestellt bzw. auf Frostschutz gedreht? Etc..
Dann am Flughafen ggf. Parkplatzsuche, Gepäck zum Counter schleppen/ rollen bzw. überhaupt erstmal den Counter finden, Warteschlange, je nach Airline noch zusätzlicher Stress (für den, der's halt noch nicht kennt) mit dem Check In - Automaten. Dann endlich das Etappenziel: Der Counter. Da evtl. Diskussion und Ärger ums Übergepäck, Kind muss ausgerechnet JETZT aufs Klo...
Counter erledigt, Sicherheitscheck: Auch hier wieder Warteschlangen und Gerödele, U. U. auch Flüssigkeitenentzug aus dem Handgepäck (auch heute haben noch längst nicht alle die Flüssigkeitenregelung verinnerlicht) und die Feuerzeuge sind wenn's blöd läuft auch futsch.
Ok, Sicherheitscheck mit kleinen Kollateralschäden erledigt, dann am Flughafen das Gate suchen, ggf. lange Wege, typische Flughafenpreise für Getränke und Snacks von meist mauer bis zweifelhafter Qualität, dazwischen Duty Free Shops, Krawattenläden und das übliche Zeug. So langsam nähert der Gelegenheitsflieger sich evtl. der Reizüberflutung. Hinzu kommen oft aufgrund der Geräuschkulisse schwer verständliche Durchsagen.
Dann endlich im Flieger. Vielleicht aus Schusseligkeit oder weil man die Durchsagen akustisch nicht verstehen konnte, hinten im Flieger eingestiegen, obwohl man in Reihe 5 sitzt oder vorne, obwohl man Reihe 25 hat. Gedränge im Bus zum Flieger, Gedränge im Flieger. Handgepäck verstauen und endlich sitzen. Wäre da z. B. nur nicht diese Vollpfeife hinter einem, die sich an der Rückenlehne festhält und hochzieht und einem dabei an den Haaren reisst und einen durchschüttelt, anstelle sich an den dafür gedachten Armlehnen abzustützen. Und sitzen ist zwar schön - aber an Bord der meisten Ferienflieger auch verdammt eng.
Dann geht's los: Sicherheitseinweisung, alle anschnallen und auf in den Urlaub. In der Luft dann u. U. wieder Stress: rücksichtslose Mitreisende, die Knie des Hintermannes unbequem im Kreuz (für ihn mindestens genauso unbequem), vielleicht ein kotzendes Kind direkt vor, hinter oder neben einem....
Und das alles auf engstem Raum.
Unter den Umständen wundert es mich nicht, dass Menschen im Flieger manchmal "komisch" sind oder durchdrehen. Alkohol kann das Ganze zwar sicherlich verschärfen, ist aber nicht unbedingt erforderlich. Je nach Veranlagung halt. Und einmal am Zielort angekommen, geht der Stress gleich weiter: Gedränge im Flieger, Gedränge im Bus, ggf. lange Wege im Terminal, Orientierungsprobleme, unverständliche Durchsagen und schlussendlich Gedränge am Kofferband und die bange Frage: "Wo bleibt mein Gepäck?"
Dann raus aus dem Terminal, Abholer oder Reiseveranstalter suchen... für viele ist das Stress pur, der irgendwann hervorbrechen kann bzw. sich ein Ventil sucht.
Unvergessen eine Szene am Flughafen Mallorca 1998: Meine erste Saison als Reiseleitung, einer meiner ersten Flughafeneinsätze. Ich stand neben einer erfahrenen Kollegin, die artig ihr Klemmbrett mit Veranstalterlogo hochhielt und einen etwas orientierungslos wirkenden Herren ansprach, der einen Koffer mit Anhänger des Veranstalters dabei hatte. "Guten Morgen, herzlich willkommen auf Mallorca! Welches Hotel haben Sie gebucht, wohin dürfen wir Sie bringen?" Und zack - hat der Herr ihr eine runtergehauen
So schnell konnte man gar nicht gucken
Insofern: Mich wundert auf Reisen gar nichts mehr