Die Unterscheidung zwischen einem Sicherheitshinweis und einer Reisewarnung des Auswärtigen Amts fällt schwer. Das hat sowohl Folgen für die Veranstalter als auch für die Kunden.
Ich hatte die Frage zuvor und poste mal die Antwort meines RA Freundes:
von Ronald Schmid
Der Arabische Frühling in den vergangenen Jahren und jüngst die dramatischen Ereignisse im Nahen Osten zeigen auch reiserechtliche Probleme auf. Denn viele der davon betroffenen Staaten sind klassische Urlaubsregionen. Die Reiseunternehmen mussten vor nicht allzu langer Zeit entscheiden, ob sie die Reisen nach Tunesien und Ägypten wegen höherer Gewalt kündigen und die dort schon urlaubenden Reisenden zurückholen. Sie erklärten zunächst das, was bei Naturkatastrophen und bei terroristischen Anschlägen im Urlaubsland fast stets gebetsmühlenartig verlautbart wird: ‚Höhere Gewalt‘ liege nicht vor, weil das Auswärtige Amt keine Reisewarnung erlassen habe. Das ist aber ein Rechtsmärchen, das sich allein deswegen verfestigt hat, weil es immer wieder erzählt wird.
Alleinige Orientierung am Auswärtigen Amt ist zu wenig
Das Abstellen auf die Erklärung des Auswärtigen Amtes hilft nicht weiter, weil dessen Kategorie häufig auch durch wirtschaftliche und politische Rücksichtnahmen geprägt sind. So hatte in der Zeit des Arabischen Frühlings das Auswärtige Amt – anders als die Außenministerien in Österreich und Luxemburg – lange Zeit „nur“ einen „Sicherheitshinweis“, aber keine „Reisewarnung“ ausgesprochen. Erst Tage später wurde dann – bei unveränderter Gefahrenlage – doch auch eine Reisewarnung ausgesprochen. Auch bei der israelisch-palästinensischen Auseinandersetzung der letzten Wochen hat sich das Auswärtige Amt lange schwer getan, eine klare Reisewarnung herauszugeben.
Es kann meines Erachtens bei genauer Betrachtung nicht trennscharf zwischen einem Sicherheitshinweis und einer Reisewarnung unterschieden werden. Reisewarnungen werden nur dann ausgesprochen, „wenn aufgrund einer akuten Gefahr für Leib und Leben vor Reisen in ein Land oder in eine bestimmte Region eines Landes gewarnt werden muss“ (so das Auswärtige Amt auf seiner Website). Aber auch Sicherheitshinweise machen auf besondere Risiken für Reisende und im Ausland lebende Deutsche aufmerksam. Sie raten in der Regel von nicht unbedingt erforderlichen Reisen ab. Da stellt sich die Frage: Ist ein solcher Hinweis noch ein Sicherheitshinweis oder nicht schon eher eine abgeschwächte Reisewarnung?
Ich meine ja. Und deswegen müssen solche diplomatischen Spitzfindigkeiten einen Juristen unbeeindruckt lassen. Interessant sind die Erklärungen des Ministeriums im Internet. Dort heißt es: „Reise- und Sicherheitshinweise sowie Reisewarnungen beruhen auf den zum angegebenen Zeitpunkt dem Auswärtigen Amt verfügbaren und als vertrauenswürdig eingeschätzten Informationen. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit sowie eine Haftung für eventuell eintretende Schäden kann nicht übernommen werden.“ Und: „Die Entscheidung über die Durchführung einer Reise liegt allein in Ihrer Verantwortung. Diese kann Ihnen vom Auswärtigen Amt nicht abgenommen werden.“
Schon diese Hinweise machen deutlich, dass die Beurteilung eines Sachverhaltes als höhere Gewalt nicht vom Vorliegen einer „echten“ Reisewarnung abhängig gemacht werden kann; sie kann nur anhand der Kriterien des § 651f BGB bestimmt werden. Eine Reisewarnung kann daher nur ein Indiz, niemals aber das einzige ausschlaggebende Kriterium sein.
Im Einzelfall prüfen, ob höhere Gewalt vorliegt
Reiseveranstalter und Reisende müssen daher selbst und in eigener Verantwortung für jedes Reiseziel prüfen und entscheiden, ob ein Fall höherer Gewalt vorliegt, der zu einer Kündigung des Reisevertrages berechtigt. Dabei sollten beide (!) sich nicht vorschnell zu einer ihnen genehmen Meinung verleiten lassen, sondern alle Aspekte gründlich abwägen. Am Ende entscheidet nämlich ein objektiver Dritter, der angerufene Richter, ex post darüber, ob durch bestimmte Ereignisse, die bei Vertragsabschluss nicht voraussehbar waren, eine Reise erheblich erschwert, gefährdet oder beeinträchtigt war. Und dem müssen Fakten vorgetragen werden und keine bloße subjektiven Wertungen.
Ich gehe d'accord...
Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von »Dodo« (19. Juli 2015, 00:32)