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Freitag, 19. Juni 2015, 15:29

Vorgerichtliche Anwaltskosten, wann hat der Leistungsträger zu zahlen?

Klärt ein Flugunternehmen entgegen Art. 14 der Fluggastrechteverordnung die Flugpassagiere nach § 280 Abs. 1 BGB nicht über ihre Rechte im
Rahmen einer Flugverspätung auf, so ist die Hinzuziehung eines Anwalts
für den Reisenden sofort notwendig und die Airline hat die
Kosten zu tragen.
Amtsgericht Hannover, Urteil vom 31.07.2012
- 517 C 13641/11 -



Wer aber klären will, ob er Ansprüche gegen eine Fluglinie hat, sollte nicht
gleich den Anwalt einschalten. Er läuft Gefahr, auf den Kosten dafür
sitzen zu bleiben, selbst wenn die Airline ihre Informationspflicht erfüllt hätte. Wer in
zivilrechtlichen Streitigkeiten von Anfang an einen Anwalt hinzuzieht,
laufe stets Gefahr, auf den Kosten dafür sitzen zu bleiben.
Landgericht Frankfurt (Az.: 24 S 49/14)

Also immer erst selbst versuchen, seine Forderungen durchzusetzen und nur bei Ablehnung
einen Anwalt zur Durchsetzung hinzuziehen.

http://www.sueddeutsche.de/news/leben/to…150618-99-02920


Das gilt natürlich auch gegenüber Reiseveranstalter und anderen Leistungsträgern.
Freedom's just another word for nothing left to lose...

Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von »Dodo« (19. Juni 2015, 15:31)


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Freitag, 19. Juni 2015, 15:49

Bei Reiseveranstaltern geben die Gerichte aber häufiger dem klagendem Recht, wenn
dieser sofort einen Anwalt einschaltet.

Das
Amtsgericht Hamburg-St. Georg ist mit Urteil vom 9. Juli 2014 (911 C
237/14) dieser Rechtsauffassung gefolgt und hat ebenfalls einen
Reiseveranstalter
zur Freistellung
von Honoraransprüchen des Rechtsanwalts eines Reisenden für dessen
vorgerichtliche Tätigkeit auch ohne Verzug verurteilt.

Das Amtsgericht
hat wie folgt begründet:

„Grundsätzlich ist es einem Reisenden gestattet, sich schon bei der
Anmeldung von Ansprüchen anwaltlicher Hilfe zu bedienen, da dies zur
Wahrung seiner Rechte notwendig ist. (…) Hier hat sich der Kläger auch
zur Anmeldung der reisevertraglichen Ansprüche eines Rechtsanwalts
bedient. Dass die Einschaltung dieses Rechtsanwalts nicht „erforderlich“
im Sinne von § 249 BGB gewesen ist, macht die Beklagte zwar geltend, im
Ergebnis aber ohne Erfolg.

Genau so das Amtsgericht Hannover mit Urteil vom 17. April 2014 (436 C 12006/13)
und weitere Fälle.


„Der
Klägerin steht ferner ein Anspruch auf Freistellung der Klägerin von
vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu (§ 651 f Abs. 1 BGB). Diese
Kosten sind adäquat kausale Folge aus der Vereitelung der Reise. Die
Klägerin durfte sich zur Durchsetzung ihrer Rechte der Hilfe eines
Rechtsanwalts bedienen, nachdem die Beklagte mitgeteilt hat, dass sie
die Reise nicht wie vereinbart erbringen könne."

Ergo ist es immer Ratsam die kostenlose Erstberatung des RA zu nutzen, um nicht
auf unliebsame Kosten zu sitzen.
Freedom's just another word for nothing left to lose...

3

Freitag, 19. Juni 2015, 16:02

In diesem konkreten Fall hatte der Fluggast ja die Airline zur Zahlung aufgefordert und eine Ablehnung erhalten.

Und jetzt kommt der Knackpunkt: Wenn der Anwalt diese Forderung nochmals gegenüber der Airline darlegt, um dieser mit seinem Status als Anwalt Nachdruck zu verleihen, blitzt der Kunde ab, was die Erstattung betrifft. Hier ist offensichtlich ein Schritt zuviel getan worden und da hilft nur, nach Ablehnung durch die Fluggesellschaft direkt und ohne Umwege Klage einzureichen. Und den Anwalt entsprechend anzuweisen.

PS: Kurios bei der Geschichte, dass auch das Amtsgericht Frankfurt (welche Abteilung auch immer) entschieden hat, dass die Airline die Art der außergewöhnlichen Umstände bei Ablehnung darzulegen hat. Hat vorstehend aber nichts geholfen, obwohl bei Einhaltung dieser Vorgabe die Abwägung bei der Klageeinreichung und Erfolgsaussichten durchaus klarer geworden wären.
"Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr."

4

Freitag, 19. Juni 2015, 16:22

Wenn der Anwalt diese Forderung nochmals gegenüber der Airline darlegt, um dieser mit seinem Status als Anwalt Nachdruck zu verleihen, blitzt der Kunde ab, was die Erstattung betrifft. Hier ist offensichtlich ein Schritt zuviel getan...
Zitat:
"Der Kläger beauftragte daraufhin einen Rechtsanwalt, um zu prüfen, ob Ansprüche auf eine Entschädigung nach EU-Recht bestanden."

Ich finde leider den original Text nicht, dann würde es sicherlich klarer.
Freedom's just another word for nothing left to lose...

5

Freitag, 19. Juni 2015, 17:09

Am Montag hab ich den Original Text, der dürfte Aufschluss geben.
Freedom's just another word for nothing left to lose...

6

Freitag, 19. Juni 2015, 18:02

Zitat Holger Hopperdietzel:

"Das Urteil des Landgerichts Frankfurt vom 5. Dezember 2014 (2-24 S 49/14) habe ich "gefangen".

Leider recherchieren Journalisten heute nicht mehr zu Ende und geben nur das wieder, was sie irgendwo aufgeschnappt haben.

Das
Landgericht hat zwar meine Klage auf Erstattung der
Rechtsverfolgungskosten abgewiesen, da vor Beauftragung des Anwalts kein
Verzug seitens der Fluggesellschaft vorlag. Allerdings war sich das
Landgericht mit der Richtigkeit seiner Entscheidung nicht sicher und hat
die Revision zugelassen. Davon ist in dem Beitrag keine Rede. Die
Revision wurde nur deshalb nicht durchgeführt, da Condor sofort nach
Zustellung des Urteils (obwohl sie gewonnen haben) die
Rechtsverfolgungskosten erstattet hat. Damit bestand für mich kein
Anlass mehr, Revision zum Bundesgerichtshof einzulegen. Auch das wurde
so nicht berichtet.

Somit
wurde diese wichtige Rechtsfrage der Überprüfung durch den
Bundesgerichtshof entzogen. Condor hat das Ziel erreicht, dieses Urteil
des Landgerichts Frankfurt wird nun als Sieg der Fluggesellschaft
hingestellt, in Wahrheit haben sie meinen Mandanten doch die
Rechtsverfolgungskosten erstattet und Journalisten berichten leider in
einem völlig falschen Licht über dieses Verfahren.


....Tja, die Journaille :D
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Freitag, 19. Juni 2015, 18:05

Hochinteressant. Danke für die Erläuterung aus 1. Hand.
"Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr."