Oh ja - solche Gäste hatte ich auch. Unvergessen der alleinreisende Herr mit dem grünen Scheibheft. Schon auf dem Transfer vom Flughafen zum Hotel (ich habe da die Gäste schon immer gerne ganz soft auf den Urlaub eingestimmt und die ein oder andere Kleinigkeit rechts und links am Strassenrand erklärt. Nicht allzuviel, schließlich waren die Gäste müde vom Flug, nur das Nötigste) schrieb der in seinem Heft. Am nächsten Morgen beim Begrüssungstreff hockte er wieder mit seinem Heft und schrieb mit. Ich dachte erst, daß er besonders interessiert und wissbegierig sei - Fehlanzeige. Zu jeder meiner Besuchszeiten kam er und "belauschte" meine Gespräche mit anderen Gästen. Natürlich nie ohne Heft. Direkt zu mir kam er aber nie. Ich habe ihn dann am zweiten oder dritten Tag angesprochen, gefrat, ob er zufrieden ist, ob er vielleicht noch Fragen oder Wünsche hat, etc.. Nichts - alles ok, alles bestens, schönes Hotel, schönes Zimmer, gutes Essen. Kein Grund zur Klage. Sagte er zumindest. Aber er rannte ständig mit seinem Heft durchs Hotel, hat die Anlage in 14 Tagen nicht einmal verlassen...und schrieb und schrieb und schrieb...
Am letzten Tag - 10 Minuten bevor der Bus zum Flughafen kam, kam er dann doch zu mir. Mit seinem Heft natürlich. Ganz unten auf der letzten Seite hatte er mir unter dem Satz "Geesen und bestätigt" ein kleines bisschen Platz für meine Unterschrift gelassen
Die erhielt er natürlich nicht - zum Einen durfte ich nur die offiziellen Beschwerdeformulare meines Arbeitgebers unterschreiben, zum anderen reichte die Zeit einfach nicht, um sich ein in Kleinschrift vollgeschriebenes Heft komplett durchzulesen und die größtenteils an den Haaren herbeigezogenen Reklamationen zu überprüfen. Ich fragte ihn, warum er denn erst am letzten Tag, wenn ich nichts mehr ändern kann, zu mir kommt und warum er auf meine Fragen am Urlaubsanfang gesagt hat, daß alles in Ordnung wäre (in dem Hotel hatte ich übrigens ausgesprochen selten Reklamationen)? Seine Antwort: "Ich bin doch nicht blöd - dann kriege ich ja kein Geld zurück! Das mache ich jedes Jahr so"
Nun ja - abgesehen davon, daß er eh keinen Anspruch auf Erstattung hat, wenn er erst so kurz vor der Abreise reklamiert und niemandem eine Chance zur Abhilfe gibt - zumindest in diesem Jahr hat er keine Erstattung bekommen, weil ich ihn bei den Kundendienstkollegen in der Zentrale verpetzt hatte. Von seinem Urlaub hatte er somit nichts. Alle anderen Gäste, die mit ihm angekommen waren, wurden erst rot, dann braun und erholten sich zusehends - nur er blieb bleich und stiefelte mit Heft, Stift und griesgrämiger Miene durchs Hotel.
Aber es sind bei Weitem nicht alle Gäste so. Das sind eher die negativen Ausnahmen, die einem lange im Gedächtnis bleiben. Die allermeisten meiner Gäste waren ganz normal und nett.
Und wenn wirklich im Urlaub mal etwas schiefläuft, dann hilft man auch gerne, wo man kann - sofern die Reklamation in einem vernünftigen Ton vorgebracht wird und nicht etwa Beweismittel wie gesammelte tote Kakerlaken auf dem Reiseleitertisch ausgekippt werden oder einem als Reiseleitung Prügel, etc. angedroht wird.
Dennoch - heute möchte ich auch nicht mehr als Reiseleitung arbeiten.