Andreas Altmanns ist Reporter und Reisebuchautor. Das Buch handelt von der Abrechnung mit seiner Kindheit und Jugend. A.A.'s Vater kam vom Russland-Feldzug zurück, vom Krieg verroht, zerfressen, als psychisches Wrack. Zurück in den bayrischen Wallfahrtsort Altötting, wo die Altmanns seit Generationen als Großhändler für Devotionalien (der Autor spricht geringschätzig vom "Rosenkranzhändler") tätig waren. Altmann schreibt eindringlich und intensiv, wie die Familie vom Vater terrorisiert wurde, von physischer und vor allem psychischer Gewalt, die darin gipfelte, dass er Altmanns Mutter aus dem Haus warf. Aber auch das Umfeld im erzkatholischen Altötting kriegt sein Fett ab. Lehrer, Pfarrer, alle. Rundumschlag.
Hier eine kleine Leseprobe, A.A. zählt die Defizite der Beziehung seiner Eltern auf:
Eisern liefen sie durch Landschaften der Freudlosigkeit. In den elf Jahren habe ich sie nicht einmal beim Schmusen überrascht. Ihre Bilanz war ein desaströser Offenbarungseid: nie geheimnisvoll getuschelt, nie mit den Fingerspitzen die Wangen des anderen berührt, nie sich ausgelacht, nie sich angelacht, nie einen Veitstanz der Freude hingelegt, nie wild und süchtig den anderen am Hintern gefasst, nie gierig gegurrt, nie zugezwinkert, .................., nie in höchsten Tönen das Lied der Begeisterung gesungen, nie dem anderen sein Glück vermacht, nie getröstet, nie einander beschützt, nie stark wie zwei, nie stark wie Liebe, nie.
Stark gekürzt, die Aufzählung geht über eine ganze Seite. Nachzulesen auf der Homepage des Autors, als eine von 29 (!) Leseproben.
Das Buch beschreibt auch die Jugendjahre des Autors, die Flucht aus dem Elternhaus, seine Irrwege, sein vielfaches Scheitern, sein Suchen nach Sinn, nach einem Platz im Leben und endet mit seinen ersten Schreiberfolgen. A.A. ist angekommen in der Welt, hat seine Berufung gefunden. Das Reisen und Schreiben.
Die Geschichten hat er lange mit sich herumgetragen, mit der Veröffentlichung jedoch zugewartet, "damit's kein Tränensackbrevier wird".
Das Buch wird als Roman geführt. A.A. verneint jedoch, ein Romancier zu sein. "Es wäre schön, wenn ich zu Hause sitzen könnte und die Geschichten kommen zu mir. Nur leider kommen Sie nie. Ich bin Reporter, muss zu den Menschen gehen. So wie in diesem Fall zu mir selbst." Vor Drucklegung musste A.A. dem Verlag bezeugen, ja sogar beweisen, dass alles wahr ist. Denn eine einstweilige Verfügung ist teuer und aufwändig.
Kritiken:
FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG:
Es ist ein Buch gegen Krieg, gegen Katholizismus, überhaupt Religion, gegen kleinstädtische Borniertheit, Bigotterie, Heuchelei, Feigheit, Verdruckstheit, Provinzmief, Kleinherzigkeit, Stumpfsinn, Gewalt. ( … ) Etwas Besseres lässt sich aus einer Scheißkindheit kaum machen.
DEUTSCHLANDRADIO KULTUR:
Ein Mahnmal gegen die Lieblosigkeit. Ein gutes Buch übers Schlechte. Und darüber, wie einer gerade noch davonkam.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG hingegen bedient ihr Publikum perfekt und sieht "ein Pamphlet von tsunamihafter Blindwütigkeit". Noch ein Grund mehr, das Buch zu lesen.