Ich habe mich hier bislang bewusst ziemlich rausgehalten. Ja, die Situation von Griechenland ist ganz sicherlich und freundlich gesagt optimierungsbedürftig. Ja, ohne jede Zweifel wurde dort jahrelang Misswirtschaft betrieben. Das gesamte System krankt. Was mich nicht nur hier extrem stört, ist, dass pauschal auf "die Griechen" geschimpft wird. "Die Griechen" sind nicht die reichen Reeder, diejenigen, die sich in Vetternwirtschaft und Korruption die Taschen vollstopfen, das Geld aus Griechenland rausholen - weil sie die Möglichkeiten dazu haben. Das ist aber nur ein Bruchteil der Bevölkerung!
Wenn das GR-Volk nicht mitzieht (was zu befürchten ist), wird das GR-Volk in Armut versinken
Das Problem ist, dass bei einem großen Teil der Bevölkerung schon jetzt nichts mehr zu holen ist. Ob es nun um Altersrenten, medizinische Versorgung, Arbeitslosigkeit, etc. geht - 60% der Bevölkerung lebt mehr oder weniger von der Hand in den Mund.
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Einige Beispiele aus meinem Umfeld bzw. was den Tourismussektor anbelangt. In ein Reiseforum passt das wohl auch ganz gut:
- Die Saison in Griechenland ist kurz. Obwohl das Land klimatisch durchaus auch als Winterdestination geeignet wäre. Wenn die türkische Riviera es kann - warum nicht auch die griechischen Inseln und Küsten? Klar, ein paar Investitionen wären notwendig - aber unmöglich ist das rein theoretisch nicht. Wenn die Winterpause zwischen Ende Oktober und Mitte April/ Anfang Mai nicht gelebte und geliebte Tradition wäre
- Hotelangestellte bekommen in aller Regel einen Saisonvertrag. Wenn allerdings ein Angestellter sich so verhält, dass einem Arbeitgeber keine andere Wahl bleibt als ihn vor die Tür zu setzen... dann muss der Arbeitgeber besagtem Angestellten mitunter trotz absolutem Fehlverhaltens und gerechtfertigter Kündigung das volle Gehalt bis zum Vertragsende weiterzahlen
Zumindest, solange keine strafrechtlichen Geschichten wie z. B. Diebstahl vorliegen. Konsequente Unpünktlichkeit und konsequentes Unvermögen können schon reichen, es gibt diverse Gründe im Graubereich, warum ein Angestellter für ein Hotel nicht tragbar ist. Wenn es über einen Angestellten nur Beschwerden gibt, ist es besser, in den sauren Apfel zu beissen und sich von ihm zu trennen. Es gibt mir bekannte
Einzelfälle, die es genau darauf anlegen. Beim nächsten Hotel trifft/ sieht man sie dann wieder und sie machen genauso weiter wie bisher, mit dem Ziel, von noch einem Arbeitgeber gefeuert zu werden und noch für ein paar Monate das Gehalt zu kassieren. Doppeltes Gehalt für eine ganze Saison lang nach ein paar Wochen unrühmlicher Arbeit... das muss auch erstmal einer hinkriegen. Aber - und das möchte ich ausdrücklich betonen - das sind Einzelfälle. In vielen Fällen bleibt das Personal dem Arbeitgeber treu, solange er es anständig behandelt und pünktlich zahlt, kommt auch in der nächsten Saison zurück.... und knappst den Winter über 3 Monate mit kleiner staatlicher Unterstützung (sowas wie Arbeitslosengeld) herum und bekommt die restlichen 3 Monate...nix. Keine Arbeit, kein Geld... nix. Wer kann und Sprachkenntnisse hat, der überbrückt den Winter gerne z. B. in Skigebieten. Geht aber schlecht, wenn man z. B. alleinerziehende Mutter ist und das Kind in Griechenland schulpflichtig ist. Was alleinerziehende Mütter auf winterlicher Jobsuche (selbst nach einer Putzstellle) für Offerten bekommen, muss ich hoffentlich nicht weiter ausführen. Dass die Arbeitgeber, die ihr Stammpersonal auch in der nächsten Saison wieder haben wollen, nicht stärker in die Pflicht genommen und andererseits hinsichtlich untragbaren Personals entlastet werden, ist für mich auch nicht verständlich.
- 2012 gab es mitten in der Hauptsaison auf Rhodos einen von der (linken) Gewerkschaft organisierten Generalstreik. Da wurden mal eben "ganz realistisch" ca. 25% Gehaltserhöhung gefordert.
Damals dachte ich mir: "Hey, Ihr Deppen - seid doch froh, dass Ihr überhaupt eine Arbeit habt". Heute wären meine diesbezüglichen Gedanken nicht mehr zitierfähig
Das Thema "Griechenland" ist m. E. viel zu weit verzweigt, um es pauschal zu diskutieren. Man kann und sollte nicht alle Griechen über einen Kamm scheren. All die Aufregung betrifft schlussendlich einen Bruchteil der Bevölkerung und die Politik - aber nicht die Normalbürger. Die Frage ist nur:
Wie geht es weiter? Bekommt man die eigentlichen Verursacher der Krise wirklich zu fassen oder nicht? Bei einem Großteil der griechischen Normalverbraucher ist nichts mehr zu holen und die brauchen unsere Hilfe. Es ist nur fraglich, ob die auch da ankommt oder in dunklen Kanälen verschwindet...