Nachdem es sich bei dem Thema Oktoberfest immer nur um Bierzelte und die Folgen dreht, möchte ich mal zu einen Wiesn-Bummel aus der Sicht einer Münchnerin einladen. Die Bierzelte lasse ich mal links liegen und begebe mich auf Spurensuche nach Münchner Originalen und traditionellen Fahrgeschäften.
Über allem thront die Bavaria. Die gute Frau hat seit 1850 bestimmt viel gesehen und erlebt. Entworfen wurde sie vom bayerischen Bildhauer Ludwig Schwanthaler im Auftrag des König Ludwig I.. Mit einer imposanten Größe von 18,52 Meter galt sie seinerzeit als technische Meisterleistung. Im Kopf der Staute befindet sich eine Aussichtsplattform. In der Ruhmeshalle sind Büsten von bedeutenden bayerischen Persönlichkeiten aufgestellt. Die Ruhmeshalle ist aber während der Wiesnzeit geschlossen.
Gleich am Fuße der Bavaria hört man schon von weitem den Vogel-Jakob mit seinen markanten und manchmal auch derben Sprüchen. Er preist mit einem alten Trichter-grammophon seine Pfeiferl an; die aus Pappe und Aluminium bestehen, wenn man sie an den Gaumen klebt kann man Vogelstimmen und andere Geräusche fabrizieren. Allerdings erfordert das ein bisschen Übung und so sind manch komische Situationen zu beobachten. Für ganz Begriffsstutzige hält er einen Holzhammer bereit. „Erfunden“ wurde diese Attraktion Ende der Zwanzigerjahre und das Verkaufsgenie war Jakob Tresenreiter (bis 1960), der seine Pfeiferl in eigener Fabrikation herstellte. Es lohnt sich, ein bisschen stehen zu bleiben und zuzuhören.
Weiter geht es zu Feldl´s Teufelsrad. Seit 1910 dient es als Belustigung der Zuschauer. Denn bei diesem Geschicklichkeitstest geht es weniger darum, dass man versucht sich auf dem drehenden Rad möglichst lange zu halten während man von Schaumstoffbällen beworfen und auf jede erdenkliche Weise zu Fall gebracht wird, sondern auch vom „Rekommandeur“ richtig auf die Schippe genommen wird. Schon Karl Valentin und Liesl Karlstadt hatten seinerzeit ihre Freude auf dem Teufelsrad. Nebenbei handelt es sich auch noch um eines der günstigsten Fahrgeschäfte, denn für einmal Eintritt zahlen darf man sich auch als Zuschauer stundenlang im Zelt aufhalten und amüsieren.
Neben der „Familienecke“ mit Kinderkarussells, Café und Kasperletheater steht seit 1908 der Toboggan. Dabei handelt es sich um eine Turmrutschbahn auf die der Fahrgast mittels eines schnellen laufenden Förderbandes auf ca. 6 Meter Höhe transportiert wird. Boshafterweise bewegt sich, anders als bei einer Rolltreppe, der Handlauf nicht mit und wer sich dort festhält, fällt zur Gaudi der Zuschauer unweigerlich hintenüber. Am lustigsten ist es dort ab 22 Uhr wenn die nicht mehr nüchternen Besucher mutig antreten.
Seit Mitte der 1960er Jahre ist der Münchner Toboggan nur noch auf dem Oktoberfest zu finden. Für die Reise ist das Traditionsgeschäft nicht mehr rentabel.
Weiter geht es zum „Schichtl“. Der Schichtl ist seit 1869 die größte Gaudi auf dem Münchner Oktoberfest, ein makabres Vergnügen das schon Generationen überlebt hat, obwohl sehr viele Münchner dort schon den Kopf verloren haben. Die Enthauptung einer lebenden Person auf offener, hell erleuchteter Bühne mittels Guillotine ist eine der ältesten Attraktionen. Unser Oberbürgermeister muss fast jedes Jahr dran glauben. Wer sich das Spektakel nicht ansehen will, braucht sich nur vor den Schichtl stellen, alle halbe Stunde wird die nächste Vorführung groß angekündigt mit lustigen Sprüchen, und alle Darsteller treten auf die Bühne vor dem Einlass. Allein das ist es schon wert stehen zu bleiben.
Es gäbe noch so viel zu erzählen vom Oktoberfest, aber das würde den Rahmen dieses Berichtes sprengen. Eine kurze Zusammenfassung:
Die Steilwandfahrer (seit 1932). Dort werden heute noch zum Teil „Indian“ Motorräder aus den 1920er Jahren benutzt. Die berühmteste Steilwandfahrerin war 1935 ein junge Frau, namens Käthe Müller, Kitty genannt. Sie hat noch viele Jahre lang das Unternehmen geführt.
Die Krinoline (seit 1860). Ein Karussell der besonderen Art, wo heute noch eine Blaskapelle spielt, anstatt Musik vom Band.
Die Hexenschaukel (seit 1894) und, und, und ……
Aber bevor es jetzt zum Durst löschen und Hunger stillen in eines der Zelte geht noch eine kurze Anekdote:
Früher musste man sich in den Bierbuden mit Petroleumfunzeln begnügen. Es gab zwar auf dem Festplatz seit 1885 ein paar mit Strom gespeiste Bogenlampen, aber erst 1896 bekam Michael Schottenhamel als erster Wiesn-Wirt elektrisches Licht, eingerichtet von der Firma J. Einstein aus München. Der Neffe des Firmeninhabers, ein 17-jähriger Gymnasiast, hat als „Ferien-Jobber“ fleißig mitgeholfen die Glühbirnen einzudrehen. Sein Name: Albert Einstein.
Der blieb übrigens lebenslang ein begeisterter Wiesn-Fan.
Ich hoffe, euch hat der Wiesn-Bummel gefallen und man sieht nicht nur die Schattenseiten, die es leider auch gibt. Aber auch die Tradition die dahinter steht.