Reiseforum - Reiseberichte

Bulgarien hat am Anfang des neuen Jahrtausends einen regelrechten Tourismus - Boom erlebt. Es wurden massenweise neue Hotels gebaut und der Tourismus belebt. Was heute davon übrig ist, ist, wenn man Medienberichten glauben mag, leider meist auf 2 Worte beschränkt: "Billig - Ballermann". Ich gestehe, ähnlich war auch meine Einschätzung. 2003 war ich zuletzt intensiv in Bulgarien unterwegs.

Nachdem ich letzte Woche einen Tag dienstlich in Bulgarien war und flugbedingt von Varna bis zum Sonnenstrand fahren musste, muss ich meine Meinung jedoch relativieren. Ja, es gibt ballermannähnliche Konstrukte (die Zentren vom Gold- und Sonnenstrand). Aber es gibt auch dort ruhigere Randbezirke. Die Preise sind nach wie vor günstig - mitten im touristischen Geschehen ist es z. B. kein Problem, ein Bier für einen Euro zu trinken oder für € 5,- eine reichhaltige Hauptmahlzeit serviert zu bekommen. Es wurde in den letzten Jahren viel an der Infrastruktur gearbeitet, viele Straßen wurden z. B. erneuert und die hässliche Schranke am Eingang des Sonnenstrandes ist auch weg. Auch in den Hotels wurde im Vergleich zu früher viel gelernt. Heute baut man nicht nur schicke und hochwertige Hotels, sondern stellt auch professionelles Personal ein bzw. schult das Personal entsprechend. Früher wurden irgendwelche Leute, die irgendwann schonmal erfolgreich einen Teller Nudeln gekocht haben, in eine Hotelküche gestellt und mit der Zubereitung eines einem 4 - Sterne - Hotel würdigen Buffets beauftragt und daß die Empfangschefin eigentlich gelernte Apothekerin, aber die Freundin des Hoteleigentümers war, hat dann auch nicht mehr verwundert

Das ist heute nicht mehr der Fall. In den meisten Hotels arbeitet geschultes und ausgebildetes Personal. Am Sonnenstrand gibt es nicht mehr nur "Abfüllstationen", sondern auch schöne Loungebars, wo man geruhsam einen Cocktail trinken kann. Natürlich gibt es auch noch die Abfüllstationen, aber auch die haben eine Existenzberechtigung.

Hinzu kommt der manchmal etwas spröde, aber herzliche bulgarische Charme und die harte, aber dafür umso herzlichere Gastfreundschaft.

Was denkt Ihr spontan, wenn Ihr "Bulgarienurlaub" hört?

Meins war es aufgrund dramatisch - traumatischer Erfahrungen in der Hotelerie auch nie und wird es für einen richtigen Urlaub wohl auch nie sein - aber es hat durchaus einen ganz eigenen Charme entwickelt. Viel Wald, viel Kultur, viel Grün. Und nicht mehr ganz so halbprofessionell und improvisiert wie vor ein paar Jahren. Mein "Fahrer" bzw. meine Begleitung auf meinem Kurztrip z. B. (ok, er leitet eine große Incoming - Agentur) war auf einem deutschen Gymnasium, zitiert gerne, oft und unfallfrei Goethe und Schiller und ist kulturell recht bewandert. Der wusste auch ganz genau, wie ein gescheiter Weinservice auszusehen hat und wie man eine Zigarre raucht.

Sowas kannte ich bislang von Bulgarien nicht. 2003 war es normal, daß neben der Pizza eine Flasche Mayonaise stand, weil sie sonst zu trocken war. Oder daß man 8 Wochen nach Hoteleröffnung wie ein Alien angeschaut wurde, wenn man abends angesichts gehäuft autretender Magen-Darm-Erkrankungen von Gästen wutentbrannt die Zapfhähne an der Bar abgeschraubt und gereinigt/desinfiziert hat. Sowas alltägliches hatte das Barpersonal zu der Zeit noch nie gesehen, weil es ungelernte Kräfte ohne kompetente Führung waren .

Das ist heute zumindest in den besseren Hotels nicht mehr so. Besonders beeindruckt hat mich die Reaktion des Direktors vom Helena Sand's (eines der besten Hotels in Bulgarien), den ich auf die konstanten 100% Weiterempfehlung bei angesprochen habe: "Holidaycheck? Kenn ich nicht. Ist das sowas wie tripadvisor auf deutsch?"

Ok, wenn das Essen im AI - Hotel so schlecht ist, daß man außerhalb essen MUSS und dadurch Zusatzkosten entstehen, die nicht sein müssten, dann lasse ich das Argument "teuer" gelten - gerade bei Jugendlichen, die ihr Taschengeld einteilen müssen.

Aber ein kleiner (wenn auch schwacher) Trost: Auf Mallorca wäre es teurer geworden.

Hier sind mal ein paar Preisbeispiele aus der Partyzone des Sonnenstrandes. Die Preise sind in Leva angegeben, der Gegenwert in € ist ziemlich genau die Hälfte:



Pizza oder Lasagne inkl. 1 Softdrink oder Bier für € 4,-, Spaghetti € 3,50, Schopska - Salat € 1,75, Rumpsteak € 12,50, Grillteller € 9,50, Sandwich zwischen € 1,60 und € 2,40, Fake - Shirts vor Verhandlung € 5,- - 6,-, etc.. Ich finde, das geht preislich absolut für ein Tourighetto. Und das sind schon Touripreise, außerhalb der Tourigegenden ist es nochmal billiger. Ich weiß jetzt nicht, wie es aktuell in der Hauptsaison aussieht, denn als ich vor Ort war, war schon Nachsaison, die Klamottengeschäfte hatten Schlussverkauf und die Gehwege wurden nach und nach hochgeklappt. Gerade Kleidung wird in der Hauptsaison wohl etwas teurer sein, so war es zumindest 2003.

Ich glaube, das größte Problem, was Bulgarien hat, ist das Image. Ja, es gibt die berüchtigten Ballermannzonen am Gold- und Sonnenstrand. Aber es gibt noch ein bißchen mehr und das wird in der Berichterstattung über Bulgarien und auch im Tourismusmarketing oft vergessen. Als Pitt mich auf seinen geplanten Bulgarienurlaub angesprochen hat, dachte ich mir auch erst: Ich hatte noch die alten Geschichten von 2003 im Hinterkopf. Unprofessionell geführte Hotels, mieser Service, mieses Essen, Prostituierte, die in manchen Hotels über die Flure liefen und sich ungeniert durch Klopfen an den Zimmertüren angeboten haben und auch vor Familien mit Kindern nicht haltgemacht haben, etc..

Aber mittlerweile bin ich versöhnt mit Bulgarien. Das Land und auch der Tourismus hat in den letzten Jahren viel dazugelernt und entwächst langsam den Kinderschuhen. Ob ich dort Urlaub machen würde, wage ich zu bezweifeln. Zumindest keinen Haupturlaub. Da möchte ich ähnlich wie Mujer gerne Palmen am Strand und etwas mehr Exotik haben. Aber ich könnte mir gut vorstellen, mal für ein verlängertes Wellnesswochenende nach Bulgarien zu fliegen. Ich habe in einem Hotel dort einen sehr schönen Spabereich mit überaus zivilen Preisen (50 Minuten klassische Ganzkörpermassage z. B. € 35,-) gesehen

@ Aramis:
Ägypten?

@ El Buitre:

Ja, die Ostblockzeiten waren nochmal ein ganz anderes Kaliber

Aber mittlerweile hat das Land sich echt etwas gemausert. Nur schade, daß das das nicht entsprechend bekanntgegeben wird und das Tourismusministerium beim Marketing auch eher schläft. Da muss man sich dann auch über das schlechte Image nicht wundern...

Um AI wirst Du da kaum herumkommen. Aber wir könnten Dir bestimmt das ein oder andere "unklassische" Hotel empfehlen, was AI auch für einen absoluten AI - Gegner erträglich umsetzt und Tipps zu Pyramidenausflügen geben. Wenn also Bedarf besteht - immer sehr gerne, einfach mal im Ägyptenforum vorbeischauen

In Bulgarien braucht man, wenn das Hotel zentral gelegen ist, m. E. kein AI. Da reicht auch ÜF oder maximal Halbpension. Ich bin gespannt, wie die Preise sich entwickeln, wenn der Euro eingeführt wird. Hoffentlich wird nicht Lewa zu Euro 1:1 umgerechnet...