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Sternedieb

Master Amigo

  • »Sternedieb« ist der Autor dieses Themas

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1

Dienstag, 21. September 2010, 11:10

Armut kuckn - Ja oder nein?

In Rio de Janeiro können seit kurzem einige der berüchtigten Armenviertel bzw. Slums besichtigt werden.

Der Präsident Luiz Inacio Lula da Silva sagte bei der "Eröffnung" der „Rio Top Tour“ :Touristen könnten nun selbst erleben, dass die Bewohner dieser Slums zwar arm seien, aber anständige Menschen. „Favelas sind ganz normale Gemeinden wie andere auch“.

Wie seht ihr das?

Würdet ihr gezielt Viertel oder Gegenden besuchen, in denen Menschen leben, denen es deutlich schlechter geht als euch selbst?
Alles immer ohne Gewähr, nicht dass man auch als Forenuser irgendwann als Terrorist verhaftet wird.

2

Dienstag, 21. September 2010, 11:18

Also bewusst einen Slum besuchen würd ich nicht. Und in dem speziellen Fall würd ich mich ganz genau erkundigen, was der Grund für diese Slum-Touren ist. Ich vermute Propagandagründe. Und wahrscheinlich handelt es sich um einen "Vorzeigeslum", der ganz bewusst ausgewählt wurde.

Prinzipiell find ich "Armut kucken" ganz in Ordnung, das macht so schön bescheiden und demütig, wenn man wieder nach Hause kommt.

LaMujer

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3

Dienstag, 21. September 2010, 11:52

Prinzipiell find ich "Armut kucken" ganz in Ordnung, das macht so schön bescheiden und demütig, wenn man wieder nach Hause kommt.

Prinzipiell ja. Andererseits ist es aber doch traurig, wenn man fremde Armut braucht um selber wieder auf den Boden zu kommen.
Aber an dem Spruch „Wenn Du schlank wirken willst, umgib Dich mit Leuten die dicker sind als Du“ ist ja auch was Wahres dran. :hehe:
Nichtsdestotrotz find ich es völlig daneben wenn ich mir vorstelle, dass wohlgenährte Touris durch die Slums marschieren und wahrscheinlich auch noch voller Mitleid Goodies an die Bewohner verteilen. Das hat für mich so einen Touch von „Affenhaus“ … sorry.
Wie bereits in einem anderen Thread diskutiert, haben ja viele einen Hang zum Voyeurismus. Will heissen, die Dummheit bzw. das Elend anderer zur besten Sendezeit hat ja auch die höchsten Einschaltquoten. Also werden die Slumbesichtigungen sicherlich der Renner der hochzivilisierten und übersättigten Gesellschaft. Bin mir auch sicher, dass da so der ein oder andere „Pofel“ den Besitzer wechselt.
Ich war vort kurzem mal "unfreiwillig freiwillig" in Hal Far, dem Flüchtlingslager auf Malta. Das Lager liegt am Rand von Sliema und sicherlich nicht zufällig verirren sich immer wieder die Touristen um zu gucken. Ist ja auch toll, wenn man die Leute vor ihren gammligen Blechhütten sieht oder wie sie streng bewacht dennoch versuchen Leute anzubetteln. Danach geht man in sein Hotel, mampft sich am Buffet voll und freut sich dass es einem so gut geht ..... :übel:
Ich komme aus Ironien. Das liegt direkt an der sarkastischen Grenze.

4

Dienstag, 21. September 2010, 12:04

Das hat für mich so einen Touch von „Affenhaus“ … sorry.
Als ich das Eingangsposting gelesen hab, ist mir auch sofort "Zoo" eingefallen. :hmpf:

Andererseits ist es aber doch traurig, wenn man fremde Armut braucht um selber wieder auf den Boden zu kommen.
Klar. Aber wenn ich nur hier bin und mir von verschiedenen Leuten ihre Pseudo-Sorgen anhören muss ("Im neuen Breitling-Katalog sind nicht mehr alle Modelle enthalten", "Ich hätt gern ein 4. Kind, aber wir haben nur 3 Kinderzimmer", "Meine Frau ist schwanger, ich hol mir gleich alle Autokataloge, ich brauch ja jetzt einen Kombi mit mind. 4 1/2 Metern "...) , dann denk ich schon, dass meine eher bescheidene Grundhaltung auch daher kommt, weil ich im Urlaub Menschen gesehen hab, die mit 4 Generationen in einer Garage wohnen und trotzdem einen recht zufriedenen Eindruck auf mich gemacht haben.

Dieser Beitrag wurde bereits 3 mal editiert, zuletzt von »NoDurians« (21. September 2010, 12:18)


LaMujer

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5

Dienstag, 21. September 2010, 12:45

Solche Leute wie Du sie beschreibst kenne ich auch und ich denke, dass bei denen so ein Besuch im Slum auch nichts mehr nützt. :ironic:
Was für ein Fazit der ein oder andere aus so einem Slum-Besuch zieht ist daher sehr subjektiv und individuell.
Das Schlimme daran ist ja, dass die Veranstalter sich diese Stadtrundfahrten sicher gut bezahlen lassen und ob die zur Schau gestellten Armen daraus einen Nutzen ziehen wage ich zu bezweifeln. Vielleicht kommt ja auch mal so ein findiger Tourifachmann drauf und studiert mit denen kleine Szenen aus dem täglichen Leben der Armen ein, die dann in Realityshows aufgeführt werden.
Meine Güte, hätte Herr Sarkozy das doch früher gewusst. :batsch:
Jetzt hat er sich selbst ein Bein gestellt, indem er seine Einnahmequelle die Roma-Dörfer abgeschafft hat. :ironie:
Ich komme aus Ironien. Das liegt direkt an der sarkastischen Grenze.

Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von »LaMujer« (21. September 2010, 12:47)


6

Dienstag, 21. September 2010, 13:15

Ich gehöre zu den Leuten, die das ganze Bild der Bevölkerung eines Landes sehen wollen - nicht nur die Sehenswürdigkeiten oder hochglanzpolierten Ecken des jeweiligen Landes. Egal ob Wohnsilos mit 80.000 Menschen in Hong Kong, Wellblechhütten auf Mauritius, koptische Müllsammler in Kairo oder Bauern in irgendwelchen Bergregionen Griechenlands.

Allerdings mache ich so etwas nicht im Rahmen eines "Ausfluges" des Reiseveranstalters, sondern wir machen uns für gewöhnlich selbst auf die Socken oder suchen uns einen vertrauenswürdigen Guide, der dann mit uns loszieht.

Ich möchte mir ein eigenes Bild machen und bei den organisierten Veranstaltungen ist es ja so, daß da auch ein großer Teil Propaganda involviert ist.

Beispiele?

Ein Reiseleiter eines bekannten deutschen Veranstalters versuchte allen ernstes seiner Gruppe weiszumachen, daß die Kopten zu den reichsten Menschen Ägyptens zählen. Ich habe daraufhin eindrucksvoll geschildert, wie die Menschen in den koptischen Vierteln in Kairo "leben". Da war aber Ruhe im Karton!

Desweiteren wird ja auch überall auf der Welt immer gerne behauptet, daß ALLE Kinder zur Schule gehen und die Analphabetenquote verschwindend gering sei - selbst wenn sie tatsächlich bei 40 % oder darüber liegt und die Eltern sich Bildung überhaupt nicht leisten können.

Und so weiter und so fort...

Ich verschweige solche Dinge nicht, wenn wir nach Hause kommen und über unseren Urlaub berichten. Das ist nunmal die bittere Realität und schärft meines Erachtens etwas den Blick für das Weltgeschehen und die Handlungsweisen dieser Menschen in ihrer Perspektivlosigkeit.

Fernsehbilder können so etwas überhaupt nicht wiedergeben, wenn man Dinge nicht selbst gesehen, erlebt und gerochen hat.

7

Dienstag, 21. September 2010, 16:39

Hier ein Bericht zu den koptischen Müllsammlern in Kairo, der Gestank in diesen Vierteln ist unvorstellbar:

geo-reisecommunity.de/reisebericht/35586/1

Fitschi

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8

Dienstag, 21. September 2010, 20:05

Wir waren auch schon im "Armenviertel" allerdings, so wie Angie, wir sind zufällig dort vorbei/durchmaschiert. Einen Ausflug in ein Slumgebiet würde ich niemals buchen, naja, wir buchen ohnehin selten Ausflüge bei denen mehr als 2 Touristen (wir) dabei sind.
Die Frage wäre, bekommen die zu schau gestellten "Armen" etwas für die Fotoshow?
In der Dom Rep haben wir vor vielen Jahren einen Ausflug " Land und Leute" gemacht bei dem eine typische Landhütte samt Familie gezeigt wurde, die bekamen ein bisschen Geld und hatten die Chance den "Fremden" Bananen ect.(Coco Loco) zu verkaufen.
So gesehen hatten die Leute wenigstens einen kleinen Vorteil.
Aber wie gesagt, das ist schon mehr als 15 Jahre her, heute würde ich so eine Tour nicht mehr buchen.
Ein Trinkgefäß sobald es leer, macht keine rechte Freude mehr :Nope:
(Wilhelm Busch)

9

Dienstag, 21. September 2010, 20:06

In dem Artikel wird einer der Müllsammler zitiert: "Bald werden wir alle arbeitslos sein und keine Möglichkeiten mehr haben, unseren Lebensunterhalt zu verdienen!“ Aus genau dem Grund wurde in Hanoi ein Projekt zur staatlichen Altstoffsammlung wieder verworfen. Es würde tausenden Menschen ihren Lebensunterhalt nehmen.

Aber die Frage, ob die Kopten nun reich oder arm sind, klärt sich dadurch nicht. Oder sind alle Kopten Müllsammler?! ?(

Sina

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10

Dienstag, 21. September 2010, 20:20

Nein, nicht alle Kopten sind Müllsammler. Aber viele. Denn die Kopten stellen im islamisch geprägten Ägypten eine Minderheit dar und werden häufig benachteiligt, wenn es um die Vergabe von Jobs geht. Bewirben sich ein Kopte und ein Moslem mit den exakt gleichen Qualifikationen um einen Job, wird in 98% der Fälle der Moslem eingestellt.
Als deutscher Tourist im Ausland steht man vor der Frage, ob man sich anständig benehmen muß oder ob schon deutsche Touristen dagewesen sind. (Kurt Tucholsky)

11

Dienstag, 21. September 2010, 20:21

Es gibt natürlich auch Ausnahmen, wie überall im Leben. Siehe El Gouna und die Familie Sawiris. Das sind Kopten.

Omar Sharif musste beispielsweise seinen Glauben wechseln, sonst hätte er keine Karriere machen können, von koptisch zu muslimisch. Anders herum geht es allerdings nicht!

Ich möchte noch hinzufügen, daß der Artikel nicht mehr ganz aktuell ist und die Schweinegrippe im letzten Jahr zum Anlass genommen wurde, den Kopten die Schweine wegzukeulen. Damit wurde ihnen ein weiter Teil der Lebensgrundlage entzogen.

Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von »angie« (21. September 2010, 20:25)


12

Mittwoch, 22. September 2010, 13:32

Auch ein Armer kann sich über Besucher freuen. Nur nicht wenn er gefühlt in einem Käfig sitzt.

tequila

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13

Mittwoch, 22. September 2010, 14:05

Ich denke das die Favelas auch eine beachtliche Berühmtheit haben. Viel in Filmen zu sehen. Nur alleine sollte man sich dort nicht rein wagen. Das ist überall so. Selbst in dem sonst so reichen Miami ist es so das Southbeach ab 3te Strasse Collins Avenue Die "Never come back" Gegend ist.

Auch so Filme wie Slumdog Millionaire beschäftigen sich mit Armenviertel.

Ich finde immer das "warum" man sich so etwas angucken will wichtig. Aus Sensationslust ist es schon ganz fies.

14

Mittwoch, 22. September 2010, 14:30

Auch ein Armer kann sich über Besucher freuen. Nur nicht wenn er gefühlt in einem Käfig sitzt.
Ein RTL-Mitarbeiter "testete" heute im TV wie die Cage-People in HongKong leben. Was für'n Beitrag :mööööööp: er wollte angeblich ein Gefühl dafür bekommen wie diese Menschen in ihren 1,50m. langen Gitterkäfigen die ihr zu hause sind leben .... dass ein über 1,90 grosser Mann dort nicht bequem schläft hätte sogar ich ohne Test herausgefunden :batsch: :HC:


An einen speziellen Ausflug in ein Armenviertel möchte ich nicht teilnehmen. In meinen Augen werden die Menschen dort "vorgeführt" ....... ob man dort dann die tatsächliche Armut/Lebensweise zu sehen bekommt wage ich zu bezweifeln ...

Gerne halte ich mich in Dörfern abseits der Touristen-Route auf. Wobei ich/wir so diese Menschen ja auch irgendwie "anschauen". :hmpf: Anstatt aber den RV die Euronen zu geben kaufen wir gerne bei Einheimischen ihre Handarbeiten, irgendwelches Obst und essen in einem Dorflokal. Vielleicht ist es naiv, aber ich denke davon haben sie mehr als "vorgefürt" zu werden.

In Mexico wurde, während einer Kurzrundreise, in einem Maya-Dorf gestoppt um die Lebensweise der Mayas sehen zu können. Ob das tatsächlich ihre Lebensweise war!?

Wer möchte schon, dass sein "Heim" von Touristenhorden heimgesucht wird!?
Wahre Worte sind nicht immer schön - aber schöne Worte auch nicht immer wahr.
Unbekannt

tequila

Mexiko Amigo

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15

Mittwoch, 22. September 2010, 14:55

Ich weiß nur das beim Hurrican Roxanne 1995 viele Mayas obdachlos wurden. Die Dächer der Hütten werden dort mit Palmwedeln gedeckt. In Hängematten schlafen sie auch. In Richtung Chichen Itza gab es einen Knast. Dort stellen die Häftlinge Hängematten her. In allen Farben hingen sie am Strassenrand und Leute standen dort und kauften sie. Aber ich habe in den Dörfern alles Häuser aus Stein gesehen.

An der Westküste gibt es rote Ziegeldächer. Ist aber keine Mayaland, dort wohnen Azteken.

Die arme Bevölkerung in Mexico sind hauptsächlich die Indianer. Da schläft auch schon mal eine Mutter mir Baby einfach auf der Strasse. Am Tag werden dann Handarbeiten an die Touris verkauft. Baby dann hinten auf dem Rücken gebunden. Finde ich aber besser als betteln. An der Westküste gibt es auch keine Touristenghettos wo man die Indianer von den Stränden fernhält. Ist manchmal zwar lästig aber authentischer. Und noch besser wenn man am anderen Tag von dem kleinen Azteken stolz seine neuen Sandalen gezeigt bekommt.

Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von »tequila« (22. September 2010, 14:57)


Fitschi

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16

Mittwoch, 22. September 2010, 20:44

Anstatt aber den RV die Euronen zu geben kaufen wir gerne bei Einheimischen ihre Handarbeiten, irgendwelches Obst und essen in einem Dorflokal. Vielleicht ist es naiv, aber ich denke davon haben sie mehr als "vorgefürt" zu werden.


Ich denke, so ist das OK.
Wir sind schon öfter in irgend welchen "Lokalen" gelandet wo die Leute nicht ein Wort englisch verstanden haben, das muß man dann eben gucken gehen was Kühlbox und Küche hergeben.
Zuerst haben die ganz entsetzt geguckt, von wegen was wir da im Kühler suchen, als sie es wussten haben sie gekichert .
Und zum bezahlen gibt´s immer einen Taschenrechner, in dem man die Zahlen eintippen kann.
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Sina

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17

Mittwoch, 22. September 2010, 21:52

In vielen Zielgebieten werden ja sog. "Hinterlandtouren" angeboten. Ich finde es zwar richtig, einem Urlauber auch zu zeigen, daß das Urlaubsland kein reines Schlaraffenland ist und es echte Not gibt - die Frage ist nur WIE man es macht. Hier hatte ich schon einmal beschrieben, wie eine "sozialverträgliche" Dörfertour aussehen kann.

Mit einer grölenden, womöglich auch noch alkoholisierten, Jeepsafari in ein kleines Fischerdorf einzufallen, ist sicherlich nicht der richtige Weg - auch wenn die Dorfbewohner finanziell davon profitieren. Irgendwann gehen die dann nämlich nicht mehr ihrer regulären Beschäftigung nach, sondern spielen nur "Dorfmensch" für die Touris und die Kinder müssen auch nicht mehr in die Schule. Mit "Dorfmensch spielen" verdienen sie ja mehr :batsch:
So ist es ja z. B. in dem sog. "Guanchen - Dorf" im Norden Gran Canarias, wo täglich Busladungen von Touris durch die angeblichen Höhlenwohnungen der letzten verbliebenen Ureinwohner der Kanaren geschleust werden. Über den anschaulichen Fuhrpark der "Ureinwohner" hinter dem "Dorf" (ganz in der Nähe der Souvenierstände :ironic: ) kann man dann schonmal hinwegschauen :pfft:

Ja, ich möchte sehen, wie die Menschen außerhalb der Urlaubsorte leben. Aber ich möchte sie nicht wie im Zoo begaffen. Daher schaue ich mir lieber individuell und nicht in einer organisierten Tour den Alltag im Urlaubsland an, gehe gerne in Restaurants/Tavernen/Kneipen, in denen keine Touris (außer mir natürlich) sind und suche das Gespäch mit meinen Gastgebern, um zu erfahren, was sie bewegt und wie sie denken.
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summerdream

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18

Mittwoch, 22. September 2010, 22:09

Mir hat die Kutschfahrt durch Luxor gereicht. Man sieht da Ecken die einem das Herz brechen. Auch wenn der Reiseleiter versicherte, dass es den Menschen gut geht und die bettelnden Kinder dazu angestiftet werden, auch Mütter die ihre Kinder hoch halten und um Geld bitten ist Folge des Tourismus. Mich konnte er nicht so ganz davon überzeugen. Ich hatte Tränen in den Augen und fühlte mich gar nicht gut. Auch beim Abendessen blieb mir der Bissen im Hals stecken. Werde das nie wieder machen.
Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen (Aristoteles)

Fitschi

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19

Mittwoch, 22. September 2010, 22:33

Ja, ich möchte sehen, wie die Menschen außerhalb der Urlaubsorte leben. Aber ich möchte sie nicht wie im Zoo begaffen. Daher schaue ich mir lieber individuell und nicht in einer organisierten Tour den Alltag im Urlaubsland an, gehe gerne in Restaurants/Tavernen/Kneipen, in denen keine Touris (außer mir natürlich) sind und suche das Gespäch mit meinen Gastgebern, um zu erfahren, was sie bewegt und wie sie denken.


Dem stimme ich 100% zu.

Wir suchen gerne den Kontakt zu den Einheimischen. Die meisten freuen sich wenn man mit ihnen reden will und viele sind sehr erstaunt wenn sie erfahren das der "reiche" Tourist eigentlich auch nur ein ganz normaler Mensch ist , kein "Reichschwein" sondern ein arbeitender Zeitgenosse, der seinen schwer verdienten Urlaub eben mit Reisen in fremde Länder verbringt.
Speziell in Thailand sind die Leute oft erstaunt wenn wir von unserem Alltag erzählen, das man eben von 7 -16 Uhr und länger arbeitet, das die Regierung einem vorschreibt wie man sein Haus zu bauen hat, das man für´s parken bezahlen muß, das es nicht erlaubt ist Bananen, Ananas oder sonstiges einfach so zu verkaufen sondern das man dazu eine Bewilligung braucht.

Ich glaube, so manchem ist auch klar geworden, dass wir eventuell mehr an materiellen Gütern besitzen, aber an Freiraum/Freiheit sehr viel weniger und das wir das ganze Jahr lang dafür arbeiten müssen.

Nach Tsunami haben wir nicht einen Cent für die Opfer gespendet, dafür haben wir einer Bekannten in Thailand neuen Liegen und neue Sonnenschirme bezahlt. Die kann sie an die Touris vermieten und dafür kriegt sie Geld. Allerdings nur wenn sie auch am Strand ist :ironic:

Ich denke es ist besser den Leuten beizubringen, nur wer arbeitet kann halbwegs gut leben.
Wer auf der faulen Haut liegt, der hat nichts.

Das klappt natürlich nicht in allen Ländern, aber in einigen doch.
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Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von »Fitschi« (22. September 2010, 22:35)


Sina

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20

Mittwoch, 22. September 2010, 23:23

Viele Menschen in der Karibik und in Lateinamerika haben eine für uns bewundernswerte Eigenart: Sie sind zufrieden mit dem Wenigen, was sie haben und machen das Beste daraus. Hauptsache, es muss niemand hungern. Von der Grundeinstellung können wir, das ewig unzufriedene Volk, das nie zufrieden ist mit dem, was was hat, uns grundsätzlich eine ganz dicke Scheibe abschneiden.
Aber - durch diese lässige Genügsamkeit kommt auch niemand wirklich voran oder entwickelt sich weiter. Es ist ein zweischneidiges Schwert und wir können alle voneinander lernen. Wir Mitteleuropäer die Gelassenheit und die Genügsamkeit - und unsere Gastgeber in Lateinamerika, Asien, Afrika, etc. die Strebsamkeit und den Ehrgeiz. Denn dann kann man sich irgendwann z. B. auch einen eigenen Fernseher leisten und muss nicht beim Elektrohändler im Schaufenster die Nachrichten verfolgen.

Mir hat es in Venezuela regelmäßig das Herz zerrissen, wenn es geregnet hat. Gemeinsam mit einer belgischen Kollegin bewohnte ich ein schickes, zu einem Stadthotel gehörendes, Appartement mit Klimaanlage, Waschmaschine, Trockner, 2 Badezimmern, Jacuzzi auf der Dachterasse, etc.. Unten auf der Straße stürmten unsere Nachbarn bei Regen auf die Straße, um zu "duschen", denn das Hotel befand sich am Rande eines Armenviertels. Ich fand es sehr krass, daß ich als Ausländerin ein sorgenfreies Luxusleben führe und die Einheimischen ein paar Stockwerke unter mir den Regen nutzen müssen, um zu duschen und niemals wissen, ob sie am nächsten Tag ein Stück Brot haben werden.

Ich habe meine damaligen Nachbarn, nachdem wir uns aneinander gewöhnt hatten (ein paar hatten anfangs versucht, mich beim Aufschließen der Torauffahrt zu überfallen bzw. mir Angst einzujagen - die rechneten allerdings nicht damit, daß ich sie auf spanisch fachgerecht zusammenfalte) nach Kräften unterstützt und sie freuten sich, wenn sie z. B. 1x pro Woche mein Auto reinigen durften. Als Gegenleistung meinerseits gab es entweder Naturalien (Windeln, Kleidung, Maismehl, Nudeln, Obst, etc.) oder auch Geld. Meist allerdings Naturalien, vor allem für die große Kinderschar. Oft habe ich abends mit ihnen vor ihren Hütten zusammengesessen und habe höchsten Respekt davor, wie sie ihr Leben meistern.
Aber: Sie könnten mehr daraus machen, wenn sie es wollten und sich nicht nur mit dem abfinden würden, was das Leben oder die Herkunft ihnen vorsetzt.
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