Besucht im Dezember 2014
Grasplatz ist ein nicht mehr existierenden Bahnhof im Süden Namibias auf der Aus-Lüderitz Linie (s.
Aus: Info Centre ), in der Nähe der heutigen B 4. Der Ort hieß ursprünglich Grasabladeplatz, da hier das Futterheu für die Ochsen gelagert wurde, die die langen Ochsenwagen von Lüderitz ausgehend durch die meist wasserlose Ödnis zogen.
Zur Geschichte:
Alles begann mit dem Thüringer August Stauch, Angestellter der Reichsbahn, der an Asthma litt. Als seine Atembeschwerden zunahmen, riet ihm sein Arzt sich für einige Zeit nach Deutsch-Südwestafrika versetzen zu lassen. Dort, so erklärte er ihm, sei das Klima ideal und eine Linderung seiner Beschwerden sei zu erwarten. 1907 sagte der knapp 30jährige Stauch Frau und Kindern Lebewohl und schiffte sich in jene als "Schutzgebiet" deklarierte afrikanische Kolonie ein (das heutige Namibia), die seit 1883 zum deutschen Kaiserreich gehörte.
Der Arbeitsplatz, den man Stauch zugeteilt hatte, trug den verheißungsvollen Namen Grasplatz und lag mitten in der Namibwüste, aber er hätte auch genauso gut im Vorhof der Hölle liegen können. Die Namib ist eine der lebensfeindlichsten Wüsten der Erde, meist gibt es nur Sand und Felsen und dazu einen unbändigen Wind, der beinahe täglich in Küstennähe über das Land stürmt.
Die vornehmliche Aufgabe Stauchs bestand darin, rund zwanzig Kilometer dieser Strecke frei von Sandverwehungen zu halten. Mit dem Pflichtbewusstsein eines deutschen Beamten stemmte er sich den Naturgewalten entgegen, ein thüringischer Sisyphos gewissermaßen.
Eines Tages, im April 1908, sollte sein Leben eine entscheidende Wendung erfahren: denn da überbrachte ihm sein afrikanischer Hilfsarbeiter Peter Zacharias Lewala aufgeregt einen glitzernden Stein. Der Legende nach war dieser an einer schmierigen Schaufel kleben geblieben. Lewala muss gewusst haben, was er da in den Händen hielt, denn er hatte zuvor am Big Hole in Kimberley gearbeitet, jener Region im südlichen Afrika, die bereits 50 Jahre zuvor vom Diamantenfieber infiziert worden war.
Von dem Bergwerksingenieur Sönke Nissen aus Lüderitz ließ sich Stauch bestätigen, was er bereits vermutet hatte: Der Stein bestand tatsächlich aus reinem Kohlenstoff und war ein lupenreiner Diamant.
Offenbar wussten die Männer sehr genau, dass das ganz große Glück zwar greifbar, durch voreiligen Aktionismus aber auch akut gefährdet war. Deshalb vereinbarten sie striktes Stillschweigen. Stauch kündigte ordnungs- und fristgemäß seinen Dienst bei der Bahn. Stauch, Nissen und ein weiterer "Mann der ersten Stunde" erwarben beim kaiserlichen Bergbauamt die Rechte für siebzig Schürffelder auf mehr als zwanzigtausend Hektar Wüstenland und gründen die Diamantenschürfgesellschaft Kolmannskuppe (s.
Nähe Lüderitz: Kolmannskuppe / Kolmanskop )
Sie besaßen jetzt zwar ganz legal die Schürfrechte, hatten es aber eigentlich gar nicht nötig zu schürfen, denn in ihrem Claim ließen sich die Diamanten mit bloßen Händen auflesen. In Lüderitz erzählt man sich noch heute die Anekdote, Stauch habe einmal - auf dem Boden sitzend - nur in Reichweite seiner Hände 37 Diamanten gefunden. Weiter wird erzählt, dass das wichtigste Arbeitsgerät eines jeden Diamantensuchers damals ein leeres Marmeladenglas gewesen sei. Im Schnitt sammelte jeder der wenigen Eingeweihten in den ersten Tagen ein halbes Glas voll Edelsteine täglich. Für kurze Zeit hieß das Schürfgebiet ganz offiziell "Märchenthal".
Spätestens im Juli 1908 wurde das Märchen auch in Deutschland erzählt: das deutsche Reich wurde vom Diamantenfieber gepackt. Glücksritter und Abenteurer brachen in die Wüste von Deutsch-Südwest auf, so dass sich die Reichsregierung bereits im September gezwungen sah, einen 100x300 Kilometer breiten Küstenstreifen vom Oranjefluss bis zum 26. Breitengrad zum "Sperrgebiet" zu erklären.
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Die Nachfahren des Diamanten-Pioniers August Stauch leben heute noch in Namibia.