Besucht im Dezember 2016
Die Robbenkolonie bei
Cape Cross kündigt sich zuerst der Nase und dann den Ohren des Besuchers an. Am Parkplatz angekommen, wird dieser zunächst von dem beißenden Geruch förmlich überwältigt und dann auf das laute Gebrüll der Tiere aufmerksam. Erste tote Jungtiere „empfangen“ den Besucher schon dort.
Erst auf den letzten Metern vor der Holzabsperrung, die die Besucher von dem etwas tiefer liegenden Küstenstreifen dahinter trennt, rücken die zu tausenden versammelten Tiere ins Blickfeld, die sich dicht gedrängt auf dem felsigen Untergrund tummeln.
Zwergpelzrobben sind eine von drei Robbenarten, die im südlichen Afrika vorkommen. Das Meer der braunen Leiber wogt hin und her wie ein großer Organismus in dem einzelne Tiere in der Masse verschwimmen.
Von der gleißenden Sonne geblendet, mag es dem Besucher zunächst schwer fallen, einzelne der Meeressäuger in dem Gedränge auszumachen. Erst allmählich, wenn sich die Augen an das grelle Licht gewöhnt haben, wird es möglich, die Masse optisch zu unterscheiden.
Dabei werden nach und nach hunderte, schwarze Jungtiere sichtbar, die vorher nur durch ihr lautes, an das helle Blöken von Schafen erinnernde, Rufen in Erscheinung getreten sind. Hier und da haben sich größere Gruppen von Kälbern gebildet, die dicht aneinander gedrängt in der Gruppe Schutz suchen. Scheinbar orientierungslos irren einzelne der dunkel gefärbten Jungtiere in der Masse umher und verlangen laut schreiend nach der Mutter.
Aus dem Gewirr ragen einige Bullen wie Fixpunkte empor, die sich auf einen der wenigen umher stehenden Felsblöcke gehievt haben und von ihrer erhöhten Position durch lautes Gebrüll ihre dominante Stellung unterstreichen. Die Bullen verfügen jeder über einen Harem von bis zu 50 Weibchen.
Die meisten der Robben liegen fast reglos umher. Nur ab und zu entwickelt sich sporadisch Unruhe in der scheinbar homogenen Masse, wenn einzelne Bullen unter lautem Grunzen und mit vollem Körpereinsatz ihre Machtkämpfe austragen. Dabei gehen sie oft derart ungestüm vor, dass Kälber, die sich in ihre Nähe verirrt haben, häufig von einem der Kontrahenten erdrückt werden.
Das ist jedoch nicht die häufigste Todesursache. Vor allem Kälber die in der Menge von der säugenden Mutter getrennt werden, verhungern in großen Mengen oder werden zur Beute von Schabrackenschakalen und braunen Hyänen.
Gelegentlich erhöht sich die Sterberate sprunghaft, wenn sich das Nahrungsangebot der weiblichen Robben aufgrund von Fischmangels vor der Küste derart verringert, dass sie ihre Kälber nicht mehr ernähren können. Davon zeugen zahlreiche verendeter Jungtiere, deren Kadaver auf dem ausgedehnten Ballungsbereich der Robben am
Cape Cross umher liegen und mit für den strengen Verwesungsgeruch verantwortlich sind.
Die schiere Anzahl der Robben (die Angaben schwanken zwischen 80.000 und 250.000 Tiere) erschließt sich dem Besucher erst, wenn er einen Moment verweilt und den Blick auch auf die Brandungszone am Rande der Kolonie richtet.
Im Gegensatz zu dem eher statischen Zentrum des Sammelplatzes, wo die auf festen Untergrund sehr unbeweglich wirkenden Robben relativ still vor sich hin dösen, herrscht hier reges Treiben.
Die Robben kümmert es kaum, wie viele Kameras auf sie gerichtet sind - sie fressen, kämpfen und räkeln sich dicht an dicht in der Sonne. In der Gischt der meterhohen Atlantikwogen sind sie nur noch als "schwimmende Punktmenge" auszumachen.
Auf den Klippen am Rande der Kolonie und der schmalen Bucht aus Sand-Strand die direkt daneben liegt, herrscht ein reges Kommen und Gehen unter den erwachsenen Robben, die sich in regelmäßigen Abständen zur Nahrungssuche in die Fluten des Ozeans stürzen, wo der kalte Benguela-Strom für reiche Fischvorkommen sorgt.
Der relativ neue Holzsteg, der über eine lange Distanz bis auf wenige Meter an die Robbenkolonie heranführt, ermöglicht Besuchern aus leicht erhöhter Perspektive einen guten Rundblick.
Zwergpelzrobben fressen etwa täglich acht Prozent ihres Körpergewichtes. Die weiblichen Tiere sind etwa 75 kg schwer, die Männchen zu Beginn der Paarungszeit bis zu 360 kg (sonst durchschnittlich 187 kg). Die Hauptnahrungsquelle der Robben sind kleine Fische wie z. B. Sardinen und Bastardmakrelen. Das dichte Fell schützt die Tiere vor den Temperaturen des kalten Benguelastroms.
Um eine Überpopulation zu vermeiden, werden deshalb bei
Cape Cross regelmäßig Robben erlegt und zu Schuhen und Taschen verarbeitet. Die Naturschutzbehörde möchte den Robbenbestand jedoch nicht reduzieren, sondern beschränkt sich zur Zeit darauf, die Zahl der Robben mittels kontrollierter und umstrittener "Ernten" konstant zu halten.
Die „Robbenernte“ zieht sich über zehn bis zwölf Wochen hin. Die Saison beginnt am 1.Juli eines jeden Jahres und endet am 15. November. Während dieses so genannten "Culling" ist
Cape Cross für Touristen geschlossen.
Die lokale Verarbeitung von Robben besteht hauptsächlich aus dem Gerben „nasser gesalzener“ Felle. In
Cape Cross wird das gesamte Robbenfleisch zu Mehl und Tran verarbeitet. England ist ein Abnehmer des Trans. Das Mehl ist ein wertvolles Zufutter für Rinder, Schweine usw.
Wer keine empfindliche Nase hat, wer das Meer liebt und sich an unberührter Wüstenlandschaft erfreuen kann, dem bietet sich
Cape Cross als ein Reiseziel der besonderen Art an.
Die Zufahrt nach
Cape Cross erfolgt von Henties Bay auf der C34 Küstenstraße. Sie ist nicht asphaltiert, und kann – vor allem bei Seenebel – recht schlüpfrig sein. Vorsichtiges Fahren ist angesagt.
Das Naturreservat mit der Robbenkolonie liegt wenige Meter neben dem Kreuz und ist täglich von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Die Eintrittsgebühren betragen 80 N$ pro Person und 10 N$ für das Fahrzeug.