Jedes Jahr im Spätsommer/ Herbst/ Winter beginnt in den Weinanbaugebieten eine sehr schöne Zeit. Nicht, weil Weihnachten vor der Tür steht, sondern auch, weil endlich die Besen/Straußwirtschaften wieder öffnen. Dieser
Besen ist ein typisches Beispiel für eine schwäbische Straußwirtschaft. Die Bezeichnungen für diese Orte der Gastlichkeit sind regional unterschiedlich, Besenschänke, Rädlewirtschaft, Hecken- und Häckerwirtschaft sind am Geläufigsten. In Österreich kennt man diese Bewirtungsform als "Heurigen" oder auch "Buschenschank", in der Schweiz je nach Region als "Buschenschänke", "Besenbeiz" oder auch "Besenwirtschaft".
Der Einfachheit halber beschränke ich mich im Folgenden auf den Begriff "Besen".
Alle Besen haben eins gemeinsam: Es wird grundsätzlich Wein aus eigener Herstellung von einem Winzer in dessen Räumlichkeiten (das kann auch das eigene Wohnzimmer, der eigene Partykeller, eine Scheune, etc. sein) oder auch im Weinkeller ausgeschenkt. Größere Besen erinnern schon eher an Gaststätten. Dazu werden einfache, regionale Spezialitäten serviert, die ebenfalls aus eigener Herstellung stammen. Meist steht die Winzersfrau in der Küche und oft kümmert sich der Familiennachwuchs um den Service.
Da Besen nicht als erlaubnispflichtige Gaststättenbetriebe eingestuft werden und keine Gaststättenkonzession benötigen, sind sie unter bestimmten Voraussetzungen steuerbefreit:
Der Besen darf max. 4 Monate im Jahr geöffnet sein, wobei diese 4 Monate in maximal 2 Zeiträume gesplittet werden dürfen. Außer in Rheinland - Pfalz dürfen maximal 40 Sitzplätze zur Verfügung stehen. Wie viele Leute sich dann allerdings Stühle und Bänke teilen oder im Stehen trinken, interessiert keinen
. Die angebotenen Getränke und Speisen müssen größtenteils aus eigener Herstellung stammen, es ist z. B. nicht zulässig, Bier auszuschenken (es sei denn, der Winzer unterhält auch noch eine Brauerei). Eine kleine Auswahl alkoholfreier Getränke (z. B. Apfel- und Traubensaft, Mineralwasser) muss angeboten werden.
Dementsprechend sind die Speisen und Getränke auch sehr günstig. Ein Viertelliter Wein kostet meist um € 2,50, für unter € 5,- gibt es dazu z. B. eine große Schlachteplatte. Nur selten wird für eine Mahlzeit mehr als € 5,- verlangt, meist deutlich weniger. Die Portionen sind angesichts der Preise erstaunlich groß.
Ob ein Besen gerade geöffnet ist, erkennt man daran, daß an einer Hauswand ein Reisigbesen "ausgesteckt" ist. Zwar gibt es im Internet auch diverse "Besenkalender", diese haben sich jedoch als nicht wirklich aktuell und zuverlässig erwiesen. Also bleibt nur der Rat, die Augen offenzuhalten und Ortsansässige zu befragen, wenn man in einer Weinregion unterwegs ist und einen Besen besuchen möchte. Oder im Vorfeld Ortsname und Besen bei Tante Google eingeben und suchen, anrufen, etc..
Soviel zu den Fakten und als Hintergrundinfo. Nun zu der Stimmung
Die Stimmung im Besen ist immer gut. Hier ist die Welt noch in Ordnung, hier hockt man mit wildfremden Menschen Pobacke an Pobacke in fremden Kellern/Wohnzimmern/etc., hier gibt es keine gesellschaftlichen Grenzen, hier stößt der Punk mit dem Dorfpolizist an und der Unternehmer gibt dem Harz4 - Empfänger ein Viertele aus. Jeder redet mit jedem, es wird lamentiert, debattiert, manchmal auch tiefschürfende Gespräche geführt - und es ist einfach nett, gemütlich und urig.
Jedem, der irgendwann mal in einem Weingebiet unterwegs ist, möchte ich einen Besuch in einem Besen wärmstens empfehlen. Man kommt als Fremder und geht als Freund.